Heide Seele in der Rhein Neckar Zeitung vom 18.3.97

Fremdes Volk am Baikalsee

Khuza - Ein Mythos aus Sibirien - Ausstellung im Heidelberger Kunstverein

Wer sich in Helmut Dirnaichners Ausstellung im Heidelberger Kunstverein eingesehen hat - vgl. unsere Rezension vom 12. März - und sich ins Studio begibt, wo die Fundstücke aus Sibirien, die die Kultur der Khuza dokumentieren, zu besichtigen sind, ist überrascht, auch hier auf ein Ringmotiv zu stoßen, das bei Dirnaichner eine große Rolle spielt. Es handelt sich dabei freilich nicht um ein Artefakt, sondern um ein Fundstück, das Klaus Heid, der den Mythos der Khuza zu ergründen suchte, bei seinen Recherchen aufstöberte. Heid, Künstler aus Karlsruhe, hat sich auf der Insel Olkhon im Baikalsee umgetan, und er stellte bei seinen Untersuchungen fest, daß sich die Khuza die Erde als Ring vorstellten, in dem die Mitte fehlt.

Die Ausstellung, die streng und schlüssig aufgebaut wurde, verbindet die fotografische Dokumentation mit der Präsentation der Funde aus Sibirien und kommentierenden Zeichnungen. Auffällig ist der als skulpturale Installation deutbare Aufbau der Vitrinen, die sowohl an der Decke, als auch am Boden befestigt sind. Dieses Vitrinen-System weckt Assoziationen an wissenschaftliche Labors und wurde von Jörg Brombacher aus Karlsruhe entwickelt.

Zur Khuza-Übersicht, der eine Expedition zum Baikalsee zugrunde liegt, erschien ein Katalog, ein veritables handliches Lesebuch, das über die altsibirische Kultur informiert und bei den meisten Lesern eine Wissenslücke schließen dürfte, denn die sagenumwobene Khuza-Kultur ist wohl nur Fachleuten ein Begriff. Es empfiehlt sich daher, vor dem Rundgang in diesem Buch zu lesen, damit sich der Zugang zu den Objekten besser erschließt, die dem Bereich der Archäologie angehören, dabei aber doch (Volks-) Kunst sind. Nicht ohne Grund rekurriert Christoph Bauer im Katalog auf Wassily Kandinsky, und seine Vorliebe für die sogenannte “primitive Kunst". Die Verdichtung der für uns mythischen Inhalte, jene “große Abstraktion" beeindruckte Kandinsky an den vermeintlich primitiven Gegenständen sehr.

Dafür gibt es auch bei den Khuza Indizien, die sich in den zentralen Gehalten ihrer Mythologie auf das Wesentliche konzentrieren und in zeichenhaften Formen den Ring als Sinnbild ihrer Weltanschauung darstellten, wobei der Kreis auf die verlorene Mitte (Gercke zitiert im Vorwort Sedelmayers berühmtes Buch) verweist und parallele Linien die Suche nach Verbindungen bezeugen. Die Khuza, so wird man belehrt, seien die Erfinder der Straße gewesen. An der Ästhetik der im Kunstverein zu besichtigenden Fundstücke besteht kein Zweifel. Hinzu kommt die Aura des Uralten und Mythischen.

Die Khuza haben als Volk Sibiriens die Insel Olkhon im Baikalsee vom Neolithikum bis etwa ins 12. Jahrhundert besiedelt. Sie sollen über hohe handwerkliche Fähigkeiten verfügt haben, und Klaus Heid erklärt, daß das Leben dieses Volkes von der Suche nach der fehlenden Mitte bestimmt war. Dies muß kein angenehmer Zustand gewesen sein, so daß sich von daher die Melancholie und der Mißmut erklären. Eigenschaften, die für die Khuza charakteristisch gewesen sein sollen.

Wer, angeregt durch die Exponate, mehr über das fremde Volk erfahren möchte, sei auf Klaus Heids Lichtbilder-Vortrag am 9. April, um 20 Uhr im Kunstverein Heidelberg verwiesen. Die Ausstellung ist bis zum 13. April geöffnet.

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