Paolo Bianchi im Kunstforum Bd.137 Juni - August 1997 - Atlas der Künstlerreisen - S.150 - 151

Khuza-Mythos

Klaus Heid (*1958 in Karlsruhe, lebt in Karlsruhe und Dortmund): Im Jahr 1992 nahm Klaus Heid am Projekt "Kulturkarawane" teil. Damals fuhren über 300 Kulturschaffende aus mehr als 20 Nationen mit einem Sonderzug der Transsibirischen Eisenbahn durch Sibirien bis in die Mongolei. Ziel war es, daß sich die Künstler ein Bild von der Situation der Menschen machen und daß sie Kontakte zu russischen und mongolischen Künstlern knüpfen. In Irkusk lernte Heid den dort lebenden Künstler Igor Shirshkov kennen, den er dann zweimal nach Deutschland einlud. Shirshkov erzählte Heid von der Insel Olkhon im Baikalsee und von den dort existierenden neolithischen Steinmauern sowie von ihrer im Dunklen liegenden Geschichte.
Vom 10. Juli bis 7. August 1995 beteiligte sich Heid am "Baikal-Projekt", einem Symphosium für Landschaftskunst auf der Baikalinsel Olkhonnutzte die Gelegenheit, um als Archäologe und Ethnologe die Überreste früherer Kulturen zu erforschen. Mit künstlerischen Mitteln und basierend auf der von ihm selbst entwickelten suggestofiktiven Methode stellte er die Vermutung auf, daß die Steinwälle aus der Zeit der Khuza-Kultur stammen müßten. Mehr noch: In den Augen von Heid haben die Khuza eine enorme zivilisatorische Leistung vollbracht: "Sie erfanden die Straße, die Rechenmaschine und benutzten Kompaß und Atlanten zur Navigation. Es war die Leistung der Khuza, daß sich der Ring als Kult- und Gebrauchsgegenstand in der Welt verbreitete und neue, revolutionäre kulturelle Innovation in Gang setzte." Denn gemäß Khuza-Forscher Heid stellten sich die Khuza die Erde als Ring vor.
Das im Zentrum der Khuza-Mythologie der Ring steht, ist nur eine von vielen Entdeckungen, die Heid bei seiner Recherche in den Buchten von Sebete und Elga hervorzauberte. Er zeichnete, fotografierte und sammelte Fundstücke, die er dann ordnete und benannte. "Mit Hilfe der suggestofiktiven Methode stießen wir selbst in dem nur zehn Tage dauernden Aufenthalt auf derart umfangreiches Material, daß wir nun in der Lage sind, ein vergleichsweise lebendiges Bild der Khuza-Kultur zu zeichnen", notiert Mythenbildner Heid, der seine Forschung mit Video dokumentierte und sogar ein Khuza-Lexikon anlegte. Der Satz von Gaston Bachelard: "Der Raum ruft die Aktion, und vor der Aktion arbeitet die Einbildungskraft", beschreibt sehr schön, die von Heid entfaltete Fiktion einer hypothetischen Kultur, bei der jede Ähnlichkeit mit vor- früh- oder neuzeitlichen und jetzigen Kulturen nicht ganz zufällig ist.

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