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Der Tagesspiegel
Berlin, 5.7.2000, Autorin: Adelheid Müller-Lissner

"Sieben Hügel"

Ein Tom Kummer der Völkerkunde? - Der Karlsruher Künstler Klaus Heid erfand eine Kultur für die Ausstellung

Klaus Heid sei es gewesen, der die sagenumwobene Kultur der Khuza bei einer Expedition nach Sibirien im Jahr 1995 entdeckt und der staunenden Fachwelt vorgestellt habe. Das erfahren derzeit die Besucher des Hügels "Glauben" in der "Sieben Hügel"-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Für die "Erforschung" der Khuza-Kultur im Martin-Gropius-Bau hat Heid eine eigene Methode erfunden, die er "suggesto-fiktiv" nennt. Er arbeitet mit Erfindungen, die sich dem Betrachter oder Leser aufdrängen sollen. Dafür spielt er in durchaus kritischer Absicht mit der Sprache der einschlägigen Wissenschaften. "Ich will mit solchen Projekten die wissenschaftliche Methodik der Ethnologen aufs Korn nehmen" betonte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Bei Vorträgen im Völkerkundemuseum in Freiburg und vor Ethnologen in Heidelberg sei er dabei durchaus ins Schwitzen gekommen. Doch es reize ihn besonders, seine Arbeiten außerhalb der Kunstszene zu platzieren. "Die interessantesten Reaktionen kommen nämlich aus den anderen Bereichen." Der Religions-Erfinder bietet Interessierten ein Video, Zeichnungen und Kunstdrucke zu seinem Projekt auch über das Internet (www.tuareg.de/khuza) an.

Hans Gercke, Direktor des Heidelberger Kunstvereins, kommentiert die Arbeit des Künstlers so: "Klaus Heid erzählt uns eine spannende Geschichte, bezieht neben den Fundobjekten prachtvolle Fotos und reflektierende und kommentierende Zeichnungen mit ein, ergänzt durch Film, Texte und Vorträge - all dies für sich schon sehens- und hörenswert, darüber hinaus aber Bestandteil eines komplexen, multimedialen und verschiedenste Fachbereiche übergreifenden Ganzen." Zum Beispiel der Ring, den Klaus Heid bei einer Forschungsreise nach Sibirien als Höhepunkt der Kultur der Khuza entdeckt haben will: Einerseits ist es reichlich absurd, dass das Volk aus der Jungsteinzeit sich die Erde als Ring vorgestellt und den "Verlust der Mitte" betrauert haben soll. Andererseits ist es aber ein schönes Bild: In der Figur des Rings kommen schließlich, wie Gercke betont, "Unendlichkeit und Begrenzung, Dynamik und Statik zum Einklang".

Wer ist Klaus Heid? Der 1958 in Karlsruhe geborene Klaus Heid studierte Medizin, arbeitet allerdings seit Jahren als freischaffender Künstler. In seinem neuen Buch "Heilkunst. Risiken und Nebenwirkungen des Kunstbetriebs" versucht er beide Professionen zu verbinden, indem er Kunstgeschädigten Kräuterteemischungen empfiehlt. In dem Werk (erschienen im Martin-Schmitz-Verlag) wird nicht nur die Krise des modernen Kunstbetriebs diagnostiziert, sondern lexikalisch geordnet auch ein "Vademecum der Heilpflanzen" geboten, die sich zur Therapie anbieten könnten.

Den Bürgern seiner Heimatstadt Karlsruhe stach bis Ende Juni ein anderes seiner Werke ins Auge: Der Wegweiser nach Utopia, der auf dem Marktplatz der badischen Stadt steht und mit der Kilometerangabe 8737 auf die Entfernung zu der texanischen Kleinstadt gleichen Namens hinweist.

Auch sonst ist Heid bisher eher durch Kunstausstellungen und nicht als Völkerkundler oder Religionswissenschaftler hervorgetreten. Im Jahr 1998 bekam der Autodidakt ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg. Der Titel "un-frieden. Sabotage von wirklichkeiten" seiner Ausstellung im Kunsthaus Hamburg (1996) verweist allerdings schon auf ein starkes Interesse für die Beziehungen zwischen Realität und Fiktion. Den "Schritt aus dem hermetischen Kunstbetrieb" hinein in die gesellschaftliche Wirklichkeit sieht er als gemeinsamen Nenner seiner Arbeiten. Entsprechend sei seine Grundhaltung als "interventionistisch" zu bezeichnen.

Heid wehrt sich dagegen, mit dem Journalisten Tom Kummer in einen Topf geworfen zu werden, der mehreren Medien, darunter der "Süddeutschen Zeitung", vor einiger Zeit erfundene Interviews mit Hollywood-Größen erfolgreich als echt verkauft hat. Im Unterschied zu Kummer spreche er sein Vorgehen immer mit den Veranstaltern ab, gerade wenn er außerhalb der Kunstszene arbeite. Er sieht keinen Grund für Gewissensbisse. Auf der Insel Olkhon im Baikalsee, so berichtet der Erfindungskünstler, habe er einen Hügel gesehen, auf den jeder einen Stein legen kann, um sein Gewissen zu reinigen, "wobei die Größe des Steines mit der Schwere der seelischen Belastung korreliert." Klaus Heid legte nach eigenem Bekunden auf der Anhöhe ein "handliches Steinchen" ab. Mag sein, dass andere jetzt einen größeren Brocken abzulegen hätten.


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