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Der Tagesspiegel
Berlin, 5.7.2000

Matties meint

Lebendige Tote (Kommentar)

Immer die blöde Realität! Dabei wäre ja alles ganz einfach: Die einen Sachen gibt es, die anderen gibt es nicht, und das lässt sich auch nachprüfen. Oder nicht? Die Hitler-Tagebücher beispielsweise gab es erst, dann gab es sie nicht mehr. Ihr Schöpfer Konrad Kujau gab die Erfindung zu; er war damit praktisch der letzte der großen Realisten. Dann nämlich kam Tom Kummer, und als seine sehr unrealistischen Hollywood-Interviews auffielen, schuf er den Begriff des Borderline-Journalismus, der die Wahrheit ins Auge des Betrachters verlegt. Immerhin: Es hätte ja echt sein können. Denn wenn Stars reden würden, würden sie ja so reden, nicht wahr? Die Khuza vom Baikalsee dagegen, melancholische, vom Wodka beseelte Muffelköpfe, reden überhaupt nicht, weil es sie nie gegeben hat. Und dass ihre Kultur in der Ausstellung "Sieben Hügel" todernst vorgeführt wird, ist Ergebnis der, Moment, "suggesto-fiktiven" Methode ihres Erfinders. Suggesto? Fiktiv? Nun ja: Die Khuza sind wenigstens mal ein lebendiges totes Volk. Nicht so dumpf wie die ewig besoffenen Germanen, nicht so streberhaft wie die lateinernen Römer. Sondern eine Art prähistorische Selbsthilfegruppe. Schade, dass wir kein Leistungsfach fürs Abitur draus machen können.


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